Tiracon 6V / 1

Reparatur / Generalüberholung

Tiracon 6V Logo Nahaufnahme

ACHTUNG! Dies ist keine Reparaturanleitung. Laien sollten keinesfalls Arbeiten an elektrischen Geräte selbst durchführen. Es besteht LEBENSGEFAHR durch elektrischen Schlag!

Der reparierte Tiracon Synthesizer

Tiracon 6v Synthesizer nach Reparatur und Reinigung

Im Jahre 1989 haben die Werktätigen der DDR im VEB Automatisierungsanlagen Cottbus dieses Wunderschöne Instrument geschaffen.

Das man dieses Gerät sehr selten sieht möchte ich im folgenden etwas genauer darauf eingehen.

Immerhin hat der Synthesizer seinen eigenen Wikipediaeintrag und auf www.tiracon-6v.de finden sich Prospekte, die Betriebsanleitung, Klangbeispiele und weitere Infos zu diesem Gerät. Dort gibt es auch die äußerst ausführliche und interessante Service-Anleitung.

Tiracon Rueckseite mit Anschlüssen, Logo und MIDI

Der Tiracon 6V besitzt einen zweipoligen Netzanschluss in welchen natürlich keine heutzutage übliche Netzleitung reinpasst. Auch wenn es auf den ersten Blick wie ein Eurokabel aussieht, es ist leider keines.

Bei den Audioanschlüssen war man sehr konservativ, es gibt einen DIN-Würfelstecker für den Kopfhörer und eine 5p. DIN Buchse als Ausgang. Dankenswerter weise hat man sich entschlossen dem Nutzer zumindest ein Adapterkabel zu ersparen und eine 6,3mm Klinkenbuchse eingebaut.

Neben dem TAPE Anschluss zum Sichern und Zurückspielen von Presetdaten gibt es tatsächlich MIDI! Input / Output und Thru stehen zur Verfügung. Am Gerät selbst lässt sich MIDI zw. Receive und Send umstellen, der Kanal wählen und es gibt auch Einstellungen für MIDI-Clock und Programm Change. Die letzten beiden Funktionen habe ich nicht ausprobiert, MIDI Send und Receive funktioniert jedoch sehr Zuverlässig.

Einen Anschluss für einen Fußtaster sucht man leider vergebens.

Bedienfeld mit Display und Tasten

Das Bedienfeld. Abgesehen vom Joystick gibt es keine weiteren Bedienelemente.

Obere beiden Reihen (Programmer): Alle Knöpfe zum Steuern der Klangerzeugung.

Mittlere Reihe (Key Assign): Hier lassen sich drei Modi für das Manual auswählen. Poly ist hier der normale Betriebsmodus, Chord ist eine automatische Erzeugung von Akkorden und bei Hold spielen die Töne ununterbrochen. Einen Fußschalter für die Hold Funktion gibt es leider nicht.

Untere Reihe (Sequencer): Ja er hat auch einen eingebauten Sequencer mit welchem sich zwei Stimmen aufzeichnen und wiedergeben lassen. Die Geschwindigkeit lässt sich mit einem Poti einstellen.

Das Display besteht aus drei zweistelligen 7-Segment LED Displays (inkl. Punkten) und vier einzelnen LEDs.

Daneben gibt es natürlich noch den Master-Volume Poti, und die Tasten Write und Enable zum Abspeichern von Presets. Mit Autotune wird der Synthi stummgeschalten und die 6 Stimmen werden automatisch gestimmt (erinnert an die Entsprechende Funktion vom Sequential Circuits Prophet 5)

Zur Bedienung: Mit den Zifferntasten 1-8 lassen sich insg. 4*8=32 Presets auswählen. Die Nummer des Presets wird oben links im Display angezeigt. Nach Drücken der Taste "Program/Parameter" lassen sich mit den Zifferntasten die einzelnen Parameter dieses Presets auswählen (mittlerer Teil des Displays). Mit den Tasten Value Down/Up lässt sich sodann der Wert dieses Parameters einstellen (Anzeige im Display ganz rechts). Durch die intelligente Anordnung der Tasten geschieht das nach etwas Übung sehr flüssig.

Die grünen LEDs geben durch Blinken in der entsprechenden Geschwindigkeit einen Überblick über die aktuelle Einstellung der Oszillatoren. Die rote LED zeigt an das am ausgewählten Preset Parameter geändert wurden und es keine schlechte Idee wäre das ganze Abzuspeichern.

Zur Verdeutlichung: Im obigen Bild ist das Preset Nr. 23 Ausgewählt und der Parameter 54 ist auf den Wert 25 eingestellt. Die rote LED leuchtet, es wurde also seit dem letzten Speichern etwas am Preset verändert.

Frontplattenaufdruck mit Parametern

Auf der Frontplatte sind alle einstellbaren Parameter aufgedruckt. Macht auf den ersten Blick einen etwas unübersichtlichen Eindruck, jedoch ist die Bedienung erstaunlich einfach.

Die obere Ziffer ist die Nummer des jeweiligen Parameters. Diese sind nach Gruppen zusammengefasst, welche dann unterhalb mit weiß hinterlegt sind. In den Kästen stehen die Variablen welche für diesen Parameter zur Auswahl stehen und darunter natürlich um welche Funktion es sich handelt.

Ebenfalls hier aufgeführt sind die globalen Einstellungen MIDI und TAPE. Abgesehen davon gibt es keine weiteren Menues.

Das Typenschild des Synthesizers

Das Typenschild. Man beachte das Detail das das Schild nicht einfach unten aufgeklebt ist sondern versenkt angebracht wurde.

Der Synthi wurde im Jahre 1989, quasi während die Treuhand schon mit dem Abbruchhammer an die Tür geklopft hat, im VEB Automatisierungsanlagen in Cottbus gefertigt und bringt stolze 14 kg auf die Waage. Ein zusätzliches Schild daneben weist noch auf die genauere Bezeichnung "Tiracon 6V/1" hin, was wohl nicht mehr aufs Typenschild gepasst hat.

Detailaufnahme der Frontplatte mit Envelope Function

Anhand dieser Grafik auf der Frontplatte erkennt man welche Parameter für welche Bestandteile der Hüllkurve zuständig sind.

Instandsetzung

Tiracon 6v innen

Die Frontplatte lässt sich leicht öffnen und die Leitungen sind auch lange genug um die Front nach hinten zu stellen.

Ganz links befindet sich der Computer zur digitalen Steuerung. Darüber sieht man die Platine für die Bedienelemente an der Front.

In der Mitte ist das analoge Mainboard mit sechs Tochterplatinen für die sechs Stimmen.

Ganz rechts ist der Trafo und die Spannungsversorgung untergebracht.

Die Platine des Bedienfeldes mit Folientastatur

Das Bedienfeld ist sehr massiv in einen Metallrahmen eingebaut. Natürlich sind die Potis frei verdrahtet was gebrochene Lötstellen erspart. Es kommen die massiven Standard-DDR-Potentiometer aus Metall zum Einsatz.

Etwas überraschend ist der Einsatz einer Folientastatur. Diese ist leider vernietet, doch alle Tasten gehen gut und es gibt daher zum Glück keinen Grund das Bauteil zu öffnen.

Transformator und Netzteilplatine

Das Netzteil ist, DDR-üblich, sehr massiv ausgeführt. Rechts ist der Netzeingang mit Schalter, Entstörung und Sicherungen.

Links daneben ist die Reglerplatine. Bemerkenswert ist hier der gemischte Einsatz von DDR-Elkos (Frolyt) und japanischen Elkos (Nippon Chemi-Con).

Obwohl die Platine mit einer Aluminiumplatte als Kühlkörper umgeben ist, und an den entsprechenden Stellen schon Löcher gebohrt sind finden sich hier keine Spannungsregler, sondern lediglich Leitungen welche mysteriös unter dem Manual verschwinden.

Wie üblich waren auch hier die DDR-Feinsicherungen bzw. die Halteklammern oxidiert, was insbesondere bei einem so spannungsempfindlichen Gerät wie einem Synthesizer zum Ausfall bzw. zu ärgerlichen Verstimmungen führen muss.

Spannungsregler unter Manual montiert

Ich möchte das jetzt ausnahmsweise mal als Genial bezeichnen. Diese grandiose Lösung habe ich bis jetzt noch bei keinem anderen Gerät gesehen.

Man hat sich wohl kurzfristig entschlossen die vier Spannungsregler (B3170V) nicht an den dafür vorgesehenen Stellen der Netzteilplatine unterzubringen sondern Sie unterhalb des Manuals an eine Aluschiene geschraubt. Das hat gleich mehrere Vorteile. Es ist mechanisch stabiler, die Hitze bleibt von den elektronischen Bauteilen entfernt was die Lebensdauer erhöht und für den Fall das man an auf einem Open Air im sibirischen Winter spielen darf wird die Tastatur angenehm beheizt.

Abgesehen von dem Spalt unterhalb des Manuals bzw. von den Zwischenräumen zwischen den einzelnen Tasten gibt es an diesem Gerät keine weiteren Lüftungsöffnungen. Wo keine Öffnung ist kann auch keine verdeckt werden bzw. kann auch kein Schmutz ins Gerät gelangen.

Leiterbahnseite der Netzteilplatine mit markiertem Haarriss

Nachdem sich das Gerät immer von selbst verstimmte und am Ende gar keinen Ton mehr erzeugt hat fand sich dieser fast unsichtbare Haarriss auf der Platine der Spannungsversorgung (rot markiert, man sieht es kaum, knapp unter der Bohrung).

Leiterbahnseite der Netzteilplatine mit repariertem Haarriss

Die Gleiche Stelle nochmal mit reparierten Leiterbahnen

Die Platine des digitalteiles mit CPU, Eproms und Speicher

Die Digitalplatine inkl. der Anschlüsse für die Frontplatte und das Manual sowie den MIDI Buchsen und der Tape Buchse.

Als CPU arbeitet hier ein UA880D (in der Mitte der Platine).

Die Leiterbahnseite der Digitalplatine

Die Leiterbahnseite der Digitalplatine.

Die beiden originalen NiCd Zellen

Neben den abgesetzten Spannungsreglern hier die zweite elektromechanische Geniestreich.

Natürlich hätte man die Batterien für den Speicher auch auf der Digitalplatine unterbringen können. Der Anschluss dafür ist oben links, es wäre genug Platz gewesen. Dann hätten die Batterien, wie es leider bei vielen Synthesizern der Fall ist, wenn sie am Ende Ihrer Lebensdauer auslaufen die Platine beschädigt.

Nicht so beim Tiracon 6V. Hier hat man die Akkus auf die Platine des Manuals (nach unten hängend) verbannt. Für den Fall das hier mal etwas Ausläuft landet es unten im Blechgehäuse wo es keinen Schaden anrichten kann.

Nachgerüsteter NiCd Akkupack

Die originalen Akkus sind vom Typ "KBL 0,225" (Hersteller vermutlich VEB Grubenlampen- und Akkumulatorenwerk Zwickau) in einer Bauform welche es leider nicht mehr gibt.

Leider waren die verbauten Exemplare in einem schlechten Zustand, eine ist nach der Färbung der Platine und der Oxidation an den Kontakten zu urteilen auch schonmal heiß geworden und auch ausgelaufen. Ersetzt habe ich die beiden Batterien durch einen Akkupack, an der Halterung der Tastatur montiert, gleich neben der ursprünglichen Position.

Alle sechs Stimmen des Tiracon 6V

Der Synthesizer ist sechsstimmig polyphon, jede Stimme hat Ihre eigene Tochterplatine (jetzt darf ich endlich das es an den Yamaha CS60 erinnert).

Bei dem hier gezeigten Exemplar war keine Abgleicharbeit an den Stimmen nötig. Das ist natürlich ein gutes Zeichen wenn alles so lange stabil arbeitet. Leider kann ich daher jetzt auch nichts zum Abgleich sagen, ich vermute jedoch das der Aufwand schon in Richtung CS60 gehen könnte.

Servicefreundlich wie man ist hat man auf jeden Platine, oben rechts in der Ecke, eine LED angebracht welche anzeigt ob die Stimme aktive ist. Genauer gesagt scheinen die LEDs die Spannung der Hüllkurve anzuzeigen. Dadurch erkennt man auch das nach mehrmaligen Drücken der gleichen Taste nicht etwa immer die gleiche Stimme spielt sondern die Stimmen von hinten nach vorne durchgeschaltet werden.

Im Hintergrund oben links noch ein Detail: Die Klinkenbuchse ist natürlich nicht einfach auf die Platine gelötet auf das die Lötstellen einreisen. Sie wurde vorbildlich an einem Metallwinkel angebracht und frei verdrahtet.

Bestückung einer Stimmenplatine

Die Bestückung einer der Stimmen. Aus Lokalpatriotismus möchte ich insb. auf die ICs mit dem Logo des Funkwerks Erfurt im mittleren Bereich hinweisen (V4066D = Analogschalter, V4013D = D-Flip-Flop).

Im ganzen Gerät befinden sich Stempel mit Prüfzeichen und Datumsangaben, man hat bei der Qualtiätssicherung wohl nichts dem Zufall überlassen. Im Falle dieser Stimmenplatine verweise die Stempel zwei mal auf Prüfer 9, Selbstpüfer 47 und den 27.09.1988, wobei das Gerät an sich wie bereits erwähnt von 1989 ist.

Großaufnahme einiger Kontaktfedern des Manuals

Das Manual ist mit einer Kontaktfeder je Taste realisiert. Es gab bei diesem Exemplar keinerlei Probleme mit den Tastenkontakten, obwohl wie auf diesem Bild zu erkennen ist auch ein paar dabei waren an welchen schon ein Stück abgebrochen ist.

Führung der Manual Tasten mit gefetteten Gummidämpfern

Die Gummis der Tasten (Bushings) haben hier ebenfalls keinerlei Probleme verursacht. Das ganze ist großzügig eingefettet, womöglich trägt auch das zur Haltbarkeit bei.

Joystick für Pitchbend und VCF VCO Modulation Rate

Der Joystick hat besondere Freude bereitet. Gleich darüber erkennt man noch zwei Potentiometer mit welchen man die Stärke der X- bzw. Y-Achse einstellen kann.

Das ganze besteht aus einem Metallhebel (mit Metallkugel) und einem Plastikknopf und macht auf den ersten Blick einen soliden Eindruck.

Das Innenleben des Joysticks

Im inneren offenbart sich ein mechanisches Wunderwerk aus Metall und leider sehr fragilen Kunststoff.

Für die Auswertung kommen wiederum die hochwertigen DDR-Potentiometer zum Einsatz, welche sich im Zweifelsfall auch öffnen, reinigen und neu schmieren lassen.

Einzelteile des Joystickhebels

Der Steuerknüppel ist leider nicht besonders stabil gelungen. Das Metall macht natürlich keine Probleme. Oben erkennt man zwei konische Ringe in welchem die Kugel läuft und ganz rechts einen kleinen Metallring der das Ganze dann in einer Führung der Kunststoffkappe hält. Jener Metallring ist leider nicht ausreichend befestigt, was zur Folge hat das der Hebel im Fehlerfall einfach nach innen durchfallen kann.

Man kann dies sehr gut auf dem Bild mit der kompletten Innenansicht erkennen.

Detailaufnahme der Einzelteile einer Achse

Es ist wirklich nicht sehr stabil. Man sollte auf keinen Fall zu viel Kraft am Joystick ausüben und auf gar keinen Fall oben Draufdrücken oder gar etwas oben aufstellen.

Hier die Einzelteile einer der beiden Achsen. Hier war das Kunststoffteil mit der Arretierungsschraube eingerissen und, nicht im Bild, die Kunststoffführung für den Metallbogen abgefallen. Es lies sich zwar alles sehr gut kleben, man sollte sein Glück hier aber nicht auf die Probe stellen und sehr sanft mit dem Joystick umgehen.

Die Holzseitenteile von oben und unten

Zu guter Letzt hat man dem Gerät sehr schön Seitenteile aus echtem Holz gegeben.

Auf dem Aufkleber links steht übrigends in Handschhrift "Verwendbar", das gleiche findet sich auch auf dem zweiten Seitenteil.

Detailaufnahme einer Gewindeeinlage in den Seitenbacken

Alle Schraubbefestigungen im Holz (es sind jeweils mehrere) sind mit Kunststoffhülsen versehen. Auf diese Weise erspart man sich Holzschrauben welche im Laufe der Zeit nach mehrmaligen Öffnen und Schließen des Gerätes irgendwann ihren Halt verlieren würden.

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